Unemployed and feeling yellow.

Als ich letzte Woche Freitag (also am 1.April, was irgendwie passte) gerade mal 2,5 Stunden arbeitslos war (wenn man von Frühschicht ausgeht) „durfte“ ich an einer Informationsveranstaltung für frisch gebackene Arbeitslose teilnehmen. Wenn auf der „Einladung“ (Du kommst, oder Ärger…) schon steht das die Geschichte voraussichtlich 3 Std. dauern wird geht man da nicht ganz so euphorisch hin. Außerdem war ich schon oft arbeitslos, da ich gefühlte 500 Jobs hatte bis jetzt. Da ist man zwischendurch immer mal arbeitslos. Aber den letzten Job hab ich wohl übertrieben (mehrere Jahre) und so bin ich in die Schublade: „Leute, die lange gearbeitet haben und jetzt nach Verlust des Arbeitsplatzes alles genau erklärt bekommen müssen weil sie traumatisiert sind“ gerutscht.

Ich kam erstmal 45 Minuten zu früh an und war Erster. Yay. Und durch die blöde Nichtraucherei keine Beschäftigung. Was aber wieder zur Umgebung und zum Anlass passte. Dann durften ich und 2 andere schonmal rein. Die beiden fingen an zu reden und es stellte sich heraus: Das waren sogenannte Wutbürger. Denn sie zischelten sich das Übliche zu, wie zwei Nattern: „Man darf ja nix sagen, sonst ist man gleich ein Nazi…“, und ein wichtiges Trigger-Erlebnis. Der eine hat nämlich in einem Krankenhaus mal einen Inder gesehen, der KEIN WORT deutsch konnte. Na wenn das kein Grund ist bei PEGIDA mitzumarschieren… Aber solche voll spektakulären Erfahrungsberichte aus der Welt der gottlosen barbarischen Einwanderer haben die alle parat. Also meistens jeder einen. Das gleicht sich aber durch all die Türken aus, die nun wirklich der einzige korrekte Türke sind. Denn so einen kennen die auch alle. Meistens arbeiten die in Dönerbuden…

Und so zischelten sie. Das ist halb so wild, Wutbürger werden erst etwas lauter wenn sie über 50 sind. Also von der Anzahl her. Wenn´s über 500 werden fangen sie wirklich an zu nerven. Aber unsere 2 hier hörten sofort auf zu zischeln als Ausländer hereinkamen. Denn auch das zeichnet Wutbürger aus: Angst. Angst ist heute voll salonfähig. Gilt nicht mehr als Schwäche, wie früher mal. Wenn gestandene besoffene Mannsbilder offen schreien: „Isch hann Angssss vor den!“ werden die nichtmal ausgelacht. Leute, die vor lauter Angst Häuser mit Leuten drin anzünden sind schon fast Opfer. Naja, die Schranke war ruhig. So hatte ich die 2 mittlerweile insgeheim getauft. Schneeweißchen und Rosenrot wär noch besser gekommen. Denn die Hautfarben waren titanweiß und karminrot. Naja, gegen Farbige haben die bestimmt nix, geht ja gar nicht.

Die Veranstaltung fing an und wie erwartet war das jetzt nicht sooo. Erstmal haben sich die Showmaster vorgestellt und dann ging´s ab. Ein heißer Tip jagte den nächsten: „Fragen Sie auch Bekannte, ob die wissen wo´s Arbeit gibt!“, „Rechtschreibfehler in Bewerbungen kommen nicht so gut.“, und außerdem: „Schreiben Sie mal alles auf, was Sie mal gearbeitet haben. Das sind Ihre Kenntnisse!“. Jetzt musste ich doch nachfragen ob es nicht reicht mir meinen Lebenslauf anzugucken. Oder mich einfach mal zu erinnern. Gab´s keine richtige Antwort drauf.

Dann meldeten sich andere Deutsche (das betone ich, weil die Ausländer schön ruhig aufs Ende gewartet haben wie ich dann auch) um mal was über sich zu erzählen. Wonach niemand gefragt hatte. Eine Dame erklärte ihre Bewerbung ist im Querformat und das geht als E-Mail ja nicht. Einer schnappte das Wort: „Werkstoffprüfer“ auf und hielt stolz wie Oskar einen Monolog über R2 Zertifikate und das die ja auch zertifiziert werden müssen. Einer stellte die Frage: „Warum sind Arbeitgeber nicht flexibel?“. Da keiner die Frage verstand erzählte er von einer Bekannten, seiner Schwester und vielen anderen und endete mit der provokanten These: „Ich bin Ende 70er geboren und damals war alles besser!“. Einer schämte sich total und wies immer und immer wieder darauf hin das er noch nie arbeitslos war. Dem hätte ich gern was aufbauendes gesagt, wie: „Schäm Dich nicht. Wir sind alle so Sozialasseln wie Du. Das Leben als Schmarotzer ist gar nicht übel. Man hat mehr Zeit für sich. Und wenn Du wegen Schwarzarbeit…ich geb Dir mal ne Telefonnummer…“. Aber ob da jemand gemerkt hätte, das Spaß…lieber nicht.

Weiter ging´s mit einem Schnittmengen-Diagramm. Vereinfacht: Wenn man einen Job kriegen kann, den man auch will ist alles tutti. Aber dazu muss man ja wissen, WAS man will. Jetzt bekam jeder 3 gelbe Klebepunkte während Rudolf Steiner hämisch aus dem Jenseits lachte. An einer Tafel standen Sachen die man vom Job erwartet. Die Flächen wo wir die Punkte hinkleben sollten waren genau so gelb wie die Punkte so das kein Trend erkennbar war. Das war mal echt nix. Wurde auch nicht weiter drauf eingegangen.

Ohne das jemand nach Fragen fragte, fragten Fragen Fragen nach. Wie mit den Fliegen. Wortwitz. Alle stellten plötzlich Fragen, schwerpunktmäßig was man so beantragen kann. Ein neues Auto, einen neuen PC, ein ganzes Büro zuhause – alles wollten sie beantragen. Was natürlich nicht so einfach geht. Aber für Bewerbungen gibt´s n´ Fünfer. Mach das zehntausendmal dann kannste das Auto neu kaufen.

Gegen Ende holte uns, die Fun-Generation, die Wirklichkeit ein. Arbeitslos sein bedeutet nicht nur Ficken, Saufen, Drogen und Boccia. Wir haben auch Verpflichtungen! Während wir versuchten, damit umzugehen wurden gelbe ovale Pappschilder verteilt. Was haben die da nur mit Gelb? Die ovalen reichten nicht und so mussten die letzten rechteckige nehmen. Gerade erst arbeitslos und dann auch noch sowas.

Auf diese Pappschilder sollten wir schreiben, wie wir die Veranstaltung so fanden. Die beiden Showmaster waren der Meinung: „Das haben wir doch toll gemacht!“. Schon so vielen Menschen war der halbe Tag versaut worden also wollte ich die beiden verschonen. Und hab mein (ovales. Jahaa, ICH hab ein OVALES!) Pappschild mitgenommen.

Ob solche Aktionen irgend jemand weiterhelfen…ich sage mal zu 10000% : Nein. Was aber wieder mal deutlich klar wurde: Nur Gelb ist gelber als Gelb selber.

Über derpeavy

Ich bin ein toller Hecht. Aber wirklich.
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16 Antworten zu Unemployed and feeling yellow.

  1. refoexac schreibt:

    Scheint mir sowas wie der Lebensinhalt geworden zu sein, sich verarschen zu lassen. Ah, wir stehen auf, machen uns Kaffee und dann lassen wir uns verarschen.

    Alternativen ?
    NÖ ! Lass dich verarschen und gut ist.
    Aber ?
    Noch ein TON und du bekommst ne Sonderverarschungsbehandlung !

    tja…

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  2. Windmuehle schreibt:

    Arbeitslos und Spaß dabei.
    Mir kommt dieser „verordnete Erfahrungsaustausch“ vor wie ein Nachmittag in der Tagesklinik der Psychiatrischen Anstalt: Alle treffen sich, basteln miteinander und gehen anschließend wieder nach Hause.
    Als nächstes kommt sicher ein Kurs fürs richtige Bewerben und der obligatorische Computer-Grundlagen-Kurs.

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  3. feldlilie schreibt:

    He, das ist totaaaaal wichtig, dieser Kram. Weil, ohne das wären ja die beiden Showmaster arbeitslos. Und die ovale-Pappschild-Hersteller auch. Und die Schnittmengen-Diagramm-Erfinder ebenso wie die Gelbe-Punkte-Verkäufer. Nur ob Du und die ganzen anderen auf diese Art einen Job bekommen, das darf doch bezweifelt werden. Aber eigentlich fragt danach ja auch niemand…

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  4. safasadjida schreibt:

    Wow. Kuhl. Man, Herr Peavy, ein ovales! Und gelb auch noch. Weißt Du, es ist falsch so rum. Ich meine, die verdienen Geld mit Informationen, die Leute wie Du und ich eh schon haben. Ich weiß jetzt schon, wenn die mich hier freistellen, kriege ich garantiert den Kurs „Fit ab 50 – Fit für den Job“ mit gesundem Kochen und Yoga und so. Mir graut schon völlig.

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  5. emmitsomo schreibt:

    Heute bin ich auch mit so einem Gefühl aufgestanden: Warum denn. Manchmal brauche ich drei Stunden um, wie hier schon erwähnt wurde, mich verarschen lassen zu wollen. Ist nicht so einfach. Man versucht alles, aber es kommt dann doch anders. Man wird doch verarscht. Stimmt. Wie ich das kenne… Und irgendwann sagt man sich dann, ja, what on earth… nein, sorry, heißt ja what the f***. Ich hab nur verarscht, zwinker. Aber ich will ja nicht werden wie alle.
    Also ernsthaft: war ja letzthin auch bei so einer lächerlichen Veranstaltung, aber wenigstens durfte ich mich schnell vom Acker machen. Also nicht sowas wie bei Dir, aber auch mit den Hanseln vom jobcenter und weiteren komischen Leuten. Na, ich kann ja schauspielern, ich tu immer nur so. Man wird letztlich also doch wie alle… man verarscht die, die einen Verarschen.
    Vielleicht schaffe ich es heute, oder morgen, nicht verarscht zu werden vom Leben und den Leuten. Aber ich glaub nicht drauf.

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  6. warum07 schreibt:

    … natürlich helfen diese Veranstaltungen wem! Und zwar z.B. den beiden Showmastern, die bekommen schließlich Geld dafür und fühlen sich gebraucht 🙂 der Veranstalter (bekommt noch mehr Geld) der Raumvermieter (bekommt auch Geld) der Staat (alle die auf der Veranstaltung sind, sind grad nicht in der Statistik und gelten als nicht arbeitslos 🙂 ) … und und und … (letztlich hilft es auch Dir, Du sammelst z.B. Karmapunkte durch „Gutes Tun“ 🙂 )

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  7. ballblog schreibt:

    Heißen die Showmaster zufällig Pfingst & Ochse? 🙂 Ich glaube, Du warst da im therapeutischen Dienst unterwegs und solltest die drei Stunden mit deren Krankenkasse abrechnen….

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  8. heavensent87 schreibt:

    So sinnvoll wie ein Pimmel am Papst. Nice. Wenigstens konnten wir darüber lachen 😀

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